Turbina corymbosa (Linnaeus) Rafinesque

Pflanzenbild Bildquelle. Samenkapseln.

Andere Namen:

Convulvus c., Ipomoea c., Legendrea, (#11) Ololiuqui (aztek.), (#11, #15, #32, #45, &1) Purpurwinde, (#15) Morning Glory, Pfeilkraut, Schlangenkraut, Xtabentum, Zauberwinde, (#31) xtabentum (Edelsteinkordel auf "Maya"), (#32) Piule (zapotek.), (#15, #32) Rivea c. (Linnaeus) Hallier, (#17) Rivea c., (#11, #47, #62/124, &1) coaxihuitl (Schlangenpflanze, auf "Nahuatl"), (#45, #62/124) Ololiuhqui (rundes Ding, Name d. Samen), (#15, #62, &1) coatlxoxouhqui (Schlangenpflanze), (#62/124) Ipomoea sidaefolia. (#45, #62/124)

Inhaltsstoffe:

Die Blaetter, Samen und der Stamm enthalten verschiedene psychoaktive Alkaloide. (#62/119) Vor allem die Samen dienen als Quelle verschiedener Alkaloide. Es kommen d-Lysergsaeureamid, (#15, #32, #45, #62/119f.) Isolysergsaeureamid, Chanoclavin, Elymoclavin und Lysergol vor. (#32, #45, #62/126) Der Hauptbestandteil d-Lysergsaeureamid (#45, 62/126) und Isolysergsaeureamid (#45) kommen als d-Lysergsaeure-N-(1-hydroxyethyl)amid vor. (#15, #45, #62/126) Die Verbindungen hydrolysieren bereits waehrend der Extraktion. (#45, #62/126) Der Gesamtalkaloidgehalt der Samen betraegt 0,012%. (#45, #47, #62/126)

Pflanzenbild Bildquelle. Samen.

Vorkommen:

Die Winde waechst in den tropischen Zonen Amerikas (#11) sehr verbreitet in Mexiko und Zentralamerika. (#31) Die Pflanze wird selten ausserhalb entlegener Gegenden in den suedlichen Bergen von Mexiko kultiviert, wo die Samen in einer Religion als eine 'goettliche Lebensform' personifiziert werden. (&1) Im Gegensatz zu den fast weltweit verbreiteten Ipomoea-Arten, welche in vielen Gegenden der Welt natuerlich, aber auch wild vorkommen. Manche Ipomoea-Arten spielen auch im Gartenbau als Zierpflanze eine Rolle. (eigen)

Pflanzl. Fam.:

Convulvaceae/Convolvulaceae - Windengewaechse

Aussehen:

Die Pflanze ist eine Kletterranke, die bis zu 12m lang wird. Sie besitzt herzfoermige Blaetter, (#31) und weisse (&1, #31) bis leicht violette Trichterblueten. (#31) Die Winde (#32, &1) kann in einigen Jahren sehr gross werden. Sie braucht Spalierunterstuetzung und ist allgemein einer Trichterwinde aehnlich. Die Trauben der kleinen Blueten lassen eine einsamige Huelse zurueck. (&1)

Pflanzenbild Bildquelle. Turbina corymbosa. Nach G.W. Dillon.

Allgemeines:

Es ist eines der wichtigsten Halluzinogene der zahlreichen suedmexikanischen Indianergruppen. (#11) Die Droge wird aus den frischen oder getrockneten (#31) Samen zubereitet. (#15) Die Verwendung der Samen als halluzinogene Droge hat eine lange Tradition bei einigen Indianerstaemmen Suedmexikos. Auch in der heutigen Zeit werden die Samen fuer 'Wahrsagerei und Zauberkunst' verwendet. Ist ein Stammesmitglied von einem 'boesen Zauber' befallen, muss er die Samen einsammeln. Sie werden auf einer Steinplatte zermahlen, mit Wasser vermengt und durch Leinen filtriert. Der Patient nimmt den Trank an einem abgeschiedenen Ort nachts zu sich. Die Wirkung setzt sehr rasch ein und fuehrt zu Halluzinationen, die mit Schwindelzustaenden abwechseln. Danach folgen Mattigkeit, Euphorie und schliesslich Schlaefrigkeit. (#15) Die Maya von Yucatan benutzen die Samen zur 'Wahrsagerei' und als Medizin. "Besonders wenn man sie frisch erntet, zermahlt und als Getraenk einnimmt; und wenn man genuegend davon trinkt, sieht man Tausende von 'Geistern', hat man Fuehlung mit dem 'Teufel' und mit der 'Hoelle'... Wenn einer etwas Wertvolles verliert, geben wir ihm Xtabentum zu trinken. Bevor er einschlaeft, sagen wir ihm immer wieder ins Ohr: "Wo ist der verlorene Gegenstand?" Und wir beschreiben ihn. Er wird im folgenden Schlaf 'klarsichtig' und sieht, wo der Gegenstand liegt. Da der Schlaf nicht tief ist, koennen wir durch wiederholten Anruf mit ihm reden, wie mit Menschen in Hypnose. Er wird klare Antworten geben, doch langsam und stockend. (Leuenberger 1979) Die Samen werden von den Mayaheilern aehnlich benutzt wie Stechapfel-Samen. Der Heiler verfaellt nach der Einnahme einiger Samen in eine Trance, in der er die Diagnose stellen und den Kranken heilen kann. In der zapotekischen Kultur gab es Piuleros, die berufsmaessigen Wahrsager, die Piule (zapotekisch f. Ololiuqui) einnahmen, um 'divinieren' und 'prophezeien' zu koennen. Noch heute benutzen die Zapoteken die Pflanze. Die Samen werden von vielen indianischen Heilern bei Frauenleiden, Unfruchtbarkeit, Fiebern und als Aphrodisiakum verordnet. (#32) Die beiden Windenarten Ipomoea violaceae und T.c. werden immer noch in Mexiko, beispielsweise von den Mixe-Indianern aus Oaxaca, als Berauschungsmittel verwendet. (#62/125)

Die Pfanze ist auch nahe verwandt mit anderen psychoaktiven Winden. Es waeren hier vor allem Arten aus der Gattung Ipomoea, aber auch Arten aus der Gattung Argyreia waeren zu erwaehnen. Am bekanntesten ist die Winde Ipomoea violaceae (Purpurne Trichterwinde), welche ebenso als Halluzinogen genutzt wird. Turbina corymbosa hat niemals eine bedeutende Rolle als Rauschdroge ausserhalb Mexikos gespielt, wohingegen Ipomoea-Samen, immer wieder als Rauschdroge eingenommen werden, obwohl ihre Wirkung kaum halluzinogen, eher sedativ zu nennen ist, wie eigene Experimente ergeben habe. (eigen)

Geschichte:

Die Pflanze wurde bei den Azteken als zeremonielles Rauschmittel gebraucht, (#11) und war eines der wichtigsten Mittel, dass sie verwendet hatten. Der Gebrauch soll gleichbedeutend mit dem Gebrauch des Peyote-Kaktus (Lophophora williamsii) und des Tabaks gewesen sein. (#32)

1651: Ximenez publizierte einen Bericht des span. Arztes Hernandez, (#45, #47) der diese in den Kulturen der Azteken, Maya und Zapoteken bedeutende Pflanze so beschrieben hatte: "Es gibt in Mexiko ein Kraut, dass heisst Schlangenkraut, eine Schlingpflanze mit pfeilfoermigen Blaettern, die deshalb auch das Pfeilkraut genannt wird. Der Same dient in der Medizin. Zerrieben und getrunken mit Milch und spanischem Pfeffer, nimmt er die Schmerzen weg, heilt allerhand Stoerungen, Entzuendungen und Geschwuelste. Wenn die Priester der Indianer mit den Geistern Verstorbener in Verkehr treten wollen geniessen sie von diesen Samen, um sich sinnlos zu berauschen und sehen dann Tausende von Teufelsgestalten und Phantasmen um sich". (#32)

1581(?)-1639: Ruiz de Alarcon schrieb: "Sie befragen den eingenommenen Samen wie ein Orakel und halten Zwiesprache mit ihm, um zu erfahren, was sie zu wissen begehren, oft Sache, die man mit dem menschlichen Verstande gar nicht zu erkennen vermag, wie Verlauf ihres zukuenftigen Lebens oder Ort, wo sich verlorene oder gestohlene Gegenstaende befinden. Wer die Samen einnimmt, zieht sich zurueck, schliesst sich ein und niemand darf sich ihm naehern." (#32)

Pflanzenbild Bildquelle. In: F. Hernandez: "Rerum Medicarum Novae Hispaniae Thesaurus, seu Plantarum, Animalium, Mineralium Mexicanorum Historia.", Rom, 1651.

1897: Urbina identifizierte die Rauschdroge Ololiuqui als Turbina corymbosa.

1919: B.P. Reko akzeptierte die Identifikation von Urbina. (#45, #62/125)

1934: B.P. Reko publizierte ueber die Droge. (#45)

1937: Santesson berichtete, dass die Samen psychoaktiv sind. (#45, #62/125)

1939: B.P. Reko und R.E. Schultes sammelten identifizierbares Pflanzenmaterial von einer kultivierten Pflanze bei einem zapotekischen 'Zauberdoktor' im nordoestlichen Oaxaca. (#45, #62/125)

1955: H. Osmond fuehrte Selbstexperimente mit Turbina corymbosa durch. (#45, #62/125)

1959: Richard Gordon Wasson und R. Weitlaner sandten Samen zu A. Hofmann, dem Entdecker des LSD. (#62/125)

1960: Der schweizer Chemiker Albert Hofmann entdeckte Ergotalkaloide als psychoaktive Wirkstoffe durch ein Selbstexperiment. Damit waren die gleichen Alkaloide, wie in den Mutterkornarten (v.a. Claviceps purpurea und Claviceps paspali) enthalten, deren Erforschung sich A. Hofmann bei der Firma Sandoz verschrieben hatte. (#11, #45, #47, #62/125)

1963: Die Forschergruppe Taber et al. bestaetigten die Endeckung von A. Hofmann. (#62/125)

1985: Browner und auch Ortiz de Montellano & Browner berichteten von einer geburtsausloesenden und gleichzeitig rituellen Verwendung in Mexiko. (#62/161)

Pflanzenbild Bildquelle.. Die Pflanze mit geoeffneten Blueten.

Wirkungen:

Victor Reko, der lange Zeit in Mexiko als Arzt gearbeitet hat, hat die Wirkung von Ololiuquisamen, die er in Pulque, dem leichtalkoholischen Agavenwein eingelegt hatte, wie folgt beschrieben: Nach einem kurzen Verwirrtheitszustand ueberkommt die Versuchsperson ein angenehmes Gefuehl von Ruhe und ein leichter Schlaf. Man ist aber dabei doch noch so wach, dass man alles hoert, was ringsum vorgeht. Reisst man sich mit Willen aus diesem Dusel, so ist der Rausch meist vorbei und es bleibt nur eine gewisse Uebelkeit zurueck, die jedoch bald vergeht. Ueberlaesst man sich aber dem Spiel der Gedanken ungestoert und daemmert man so hin, so erscheinem einem nebelhafte Gestalten, aus denen sich die eine oder andere deutlicher heraushebt und schliesslich klar zu erkennen ist. Denkt man dabei an einen Bekannten, so nimmt sie dessen Gestalt und Zuege an. Man kommt in ein Gespraech mit ihm, hat das Beduerfnis, die gehoerten Worte, wie um sich besser merken zu koennen, zu wiederholen. Je nach der psychischen Einstellung der Versuchsperson sieht sie das, was sie erwartet. (#31) Einige der Alkaloide haben auch uterotonische Wirkungen. (#45, #62/140) Schwangere Frauen duerfen aus diesem Grund auf keinen Fall die Samen einnehmen. (#62/140) Im Extremfall kann es zur Ausloesung der Geburt kommen! (eigen)

Wirkdauer:

Die Wirkung dauert 3 - (#15) 4h. (#45)

Sucht:

Die Ausbildung einer koerperlichen oder psychischen Abhaengigkeit ist nicht bekannt geworden. (eigen)

Dosis:

Die Dosisangaben variieren sehr stark. 4-5 Stk. Samen, frisch oder getrocknet, (#31) gemahlen und als Kaltwasserauszug bereitet, (#62/140) p.o., werden von C. Raetsch und J. Ott angegeben. (#31, #62/140) Es soll die 100-fache Dosis von LSD noetig sein, um eine halluzinogene Wirkung auszuloesen. (#15)


Bildquellen:

Abbildung 1: Zeichner: DILLON G.W.; In: SCHULTES Richard Evans, HOFMANN Albert: "The Botany and Chemistry of Hallucinogens", THOMAS Charles C. Publishers, S. 247, 1980.

Abbildung 2: Zeichner: DILLON G.W.; In: SCHULTES Richard Evans, HOFMANN Albert: "The Botany and Chemistry of Hallucinogens", THOMAS Charles C. Publishers, S. 247, 1980.

Abbildung 3: Zeichner: DILLON G.W.; In: SCHULTES Richard Evans, HOFMANN Albert: "The Botany and Chemistry of Hallucinogens", THOMAS Charles C. Publishers, S. 245, 1980.

Abbildung 4: Zeichner/in: unbekannt;

Abbildung 5: Zeichner/in: unbekannt;


Bibliographie:

Das Quellenverzeichnis der Enzyklopaedie